Muhammad Iqbal: Grenzen und Grenzüberschreitungen

Philosophie und Religion im Widerstreit

Symposium | 20. bis zum 21.11.2015

Unter der Leitung der Professur für Kalām, Islamische Philosophie und Mystik von Prof. Dr. Ahmad Milad Karimi und der federführenden Organisation von Daniel Roters fand eine erfolgreiche Auftaktveranstaltung statt, die sowohl die Experten aus Bosnien und Herzegowina, Pakistan, der Türkei, Österreich und Deutschland als auch die ca. 200 Anwesenden als einen sehr gelungenen und fruchtbaren intellektuellen Austausch empfanden. Das Symposium wurde von der Rektorin der WWU, Frau Professorin Dr. Ursula Nelles, eröffnet und mit einem eindrücklichen Vortrag über das Leben und Werk von Muhammad Iqbal durch seinen Enkel Walid Iqbal aus Pakistan eingeführt. Insbesondere zu Ehren der weit gereisten Gäste aus Pakistan gestalteten die Studierenden des Zentrums für Islamische Theologie Münster ein kulturelles Abendprogramm, das u. a. Lesungen zentraler Texte Iqbals umfasste. Diese stimmten die Teilnehmer auf die thematische und intensive Auseinandersetzung mit dem Werk Muhammad Iqbals ein.

In drei Sektionen widmeten sich die Teilnehmer dem Denken Iqbals. In der ersten Sektion, moderiert von Daniel Roters, ging es um die Frage nach Gott in Iqbals Werk. Dr. Mustafa Ceric, Großmufti Emiritus von Bosnien und Herzegowina, sowie Muhammad Suheyl Umar von der Iqbal Academy Pakistan eröffneten den Tag. In der zweiten Sektion, moderiert von Asmaa El Maaroufi, sprachen Dr. Talib Hussain Sial von der Islamischen Universität Islamabad und Dr. Selahettin Öz von der islamtheologischen Fakultät der Hitit Universität in Corum (Türkei) über die Frage nach der Schöpfung im Denken Iqbals. Die dritte Sektion, die von Raid Al-Daghistani moderiert wurde, war der Frage nach dem Selbst in Muhammad Iqbals Werk gewidmet. Ohne diese Frage sei Iqbals philosophisches Programm und seine humanistische Vision nicht richtig zu verstehen, da in ihr sowohl die Frage nach Gott als auch die Frage nach der Schöpfung kulminierten. Dies machten Dr. Stephan Popp aus Österreich und Prof. Dr. Shahab Yar Khan von der Universität Sarajevo deutlich.

In der vierten Sektion, die sich dem vermeintlichen Antagonismus zwischen Philosophie und Religion widmete, diskutierten die Teilnehmer die Wichtigkeit der Haltung, die Iqbal in seinem Denken eingenommen hat. Iqbal habe sich selbst zur Frage werden lassen: Wer bin ich? Was ist meine Aufgabe, die Aufgabe meiner Gemeinschaft, der Menschheit insgesamt in diesem Leben? Was ist gewissermaßen die conditio humana?

Im Verlauf des Symposiums wurde rasch deutlich, dass das theologisch-philosophische Potenzial der Iqbal-Forschung bislang kaum erschöpft ist. Prof. Dr. Ahmad Milad Karimi fasste den Stellenwert und die Bedeutung der Auseinandersetzung mit dem Werk Muhammad Iqbals zusammen, indem er hervorhob, dass der Widerstreit der Philosophie und der Religion im Islam seine Versöhnung nach Iqbal darin finde, indem nicht nur die Philosophie auf Religion und vice versa verweisen, sondern sowohl die Philosophie als auch die Religion keine Welterklärung bieten; vielmehr sei die Genese einer authentischen islamischen Religionsphilosophie darin zu erblicken, dass sie den Menschen in seinem Suchen nach Sinn, Bestand und Erfüllung als Frage würdigt. Somit hat dieses Symposium für das Zentrum für Islamische Theologie eine programmatische Bedeutung. Im Arbeitsbereich für Kalām, Islamische Philosophie und Mystik soll ein Forschungsschwerpunkt über das denkerische Erbe von Muhammad Iqbal entstehen.

Seine Werke sollen übersetzt und kommentiert werden, Workshops für Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler, vor allem in Islamabad und Münster, sind angedacht, internationale Tagungen zu den Schwerpunkten seines Denkens sind in Planung. Zudem sollen interkulturelle wie interdisziplinäre Studien erarbeitet werden, die an das Denken Iqbals anknüpfen können – wie bei kaum einem anderen Denker. Kurz, es sollen die verborgenen Potenziale seines Denkens kritisch mobilisiert und fruchtbar gemacht werden.

Eine mehrsprachige schriftliche Dokumentation der Fachtagung ist für das Jahr 2017 anvisiert.